EU-Erbrechtsverordnung

Erbschaft in Polen? Neue Rechtslage für Erbfälle: EU – Erbrechtsverordnung

Am 17. August 2015 ist das Gesetz vom 24. Juli 2015 zur Änderung
des Zivilverfahrensgesetzbuches, des Notariatgesetztes und einiger anderer Gesetze in Kraft getreten, das Bestimmungen der neuen EU-Erbrechtsverordnung in das polnische Recht implementiert. Die Verordnung enthält Regeln bezüglich gerichtlicher Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts in Nachlasssachen, der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, sowie setzt ein neues Instrument ein, das den Erben die Durchsetzung ihrer Rechte im Rahmen eines Erbfalls mit Auslandsbezug erleichtern soll.

Die Verordnung kommt in 25 Mitgliedsstaaten zur Anwendung (außer Ländern aus dem common law Rechtskreis – Großbritannien, Irland, und außerdem Dänemark) und betrifft die Rechtsnachfolge von Personen, die am 17. August 2015 oder danach verstorben sind. Auf Erbfälle vor diesem Datum finden bisherige Vorschriften Anwendung – insbesondere Buch IV des Zivilgesetzbuches – Vorschriften zum Internationalen Zivilverfahrensrecht und das Gesetz vom 4. Februar 2011 – Internationales Privatrecht.

Das Ziel der Verordnung ist die Vereinfachung und Erleichterung des grenzüberschreitenden Verfahrens in Nachlasssachen sowie Vereinheitlichung der bisher existierenden rechtlichen Unterschiede in einzelnen Mitgliedstaaten. Insbesondere aus Erbensicht sind die Harmonisierungsmaßnahmen von großer Bedeutung.

In Bezug auf die gerichtliche Zuständigkeit wird nicht mehr an die Staatsangehörigkeit, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers angeknüpft. Das bedeutet, dass für Entscheidungen in Erbsachen grundsätzlich Gerichte des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers zuständig sind, unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit oder von dem Ort, in dem sich sein Nachlassvermögen, darunter auch Immobilien, befindet. Diese Regelung ist eine wesentliche Änderung im Vergleich zu der bisherigen Rechtslage. Meistbedeutend sind die neuen Vorschriften für diejenigen, die Polen als ihr Heimatland verlassen und damit den Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts ändern. In diesem Fall sind in der Regel nicht mehr polnische Gerichte, sondern Gerichte eines anderen Mitgliedstaates zuständig. Auch für den Fall, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat hatte, ist eine Lösung vorgesehen. Unter bestimmten Voraussetzungen, sind dann Gerichte dieses Mitgliedstaates zuständig,
in dem sich das Nachlassvermögen des Erblassers befindet.

Auch die Feststellung des anzuwenden Rechts richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Diese Lösung bezweckt, dass nationale Gerichte das ihnen meist bekannte Recht anwenden können. Dies ist nur aber dann der Fall, wenn der Erblasser keine Rechtswahl getroffen hat. Bei der Rechtswahl ist auch eine Möglichkeit vorgesehen, dass die Erben die Zuständigkeit des Gerichts dieses Mitgliedstaates vereinbaren können, dessen Recht der Erblasser gewählt hat (Gerichtsstandsvereinbarung). Diese Regelung ist besonders für polnische Staatsbürger und ihre Familien zu beachten, die seinen gewöhnlichen Aufenthalt
in einem anderen Mitgliedstaat haben.

Die Verordnung führt gemeinsame, einheitliche Regeln, die die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Nachlasssachen betreffen. Bisher war ein gesondertes Verfahren in jedem einzelnen Mitgliedstaat erforderlich, damit eine Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden konnte. Nach neuer Rechtslage erfolgt die Anerkennung von Entscheidungen automatisch. Die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung erfordert hingegen ein gesondertes, aber sehr vereinfachtes Verfahren vor dem Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Laut der Verordnung darf die Entscheidung nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden.

Das durch die Verordnung eingeführte europäische Nachlasszeugnis soll als Bestätigung der Berechtigung am Nachlass für die Erben dienen, die ihre Rechtsstellung in anderen Mitgliedstaaten nachweisen wollen. Es ersetzt die nationalen Erbscheine nicht, sondern gilt alternativ neben sie. Das Nachlasszeugnis wird ausgestellt, wenn es keine Einwände zu bescheinigenden Sachverhalt gibt. Falls diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, sind die Erben verpflichtet, zunächst den Erbschein beim Nachlassgericht laut nationalen Vorschriften zu beantragen. Das europäische Nachlasszeugnis kann vom Gericht oder Notar ausgestellt werden. Die Gebühr eines beim Gericht gestellten Antrags beträgt 300 zl, und die maximale Notariatsgebühr – 400 zl. Die Zeugnisse werden auf einem einheitlichen Formblatt ausgestellt und gelten in anderen Mitgliedstaaten, ohne dass es hierfür eines gesonderten Vollstreckungsverfahrens bedarf.

Agnieszka Poteralska